Friday, August 16, 2013

Presse

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Schreibende Zunft | in Kollaboration

von Lisa Jüttner
       15. August 2013       
Seit April findet der Dystopic Express regelmäßig statt und lädt zum kreativen Spieleabend ein.
Polina Chodaková
Vielleicht entdeckt der eine oder andere sein verborgenes schriftstellerisches Talente? Aber das muss nicht unbedingt sein. Denn im Shangl Hangl gibt es  Getränke und sogar frisch zubereitetes Essen, das mit einer Spende bezahlt wird. Es lohnt sich also, einfach mal zum Abendessen vorbeizuschauen und sich überraschen zu lassen.
Eine Bar kann man es eigentlich nicht nennen, eine Art Wohnzimmer trifft es wohl eher. Der Shangl Hangl versteckt sich gut im Trubel von Neuköllns Kneipenszene, keine leuchtende Reklame oder bunte Namensschilder weisen dem Suchenden den Weg. Die jungen Menschen, die es sich hier auf Sofas und Sesseln gemütlich machen, scheinen sich alle zu kennen. Jeder, der durch die Tür hereinkommt, wird freundlich begrüßt, Neulinge werden sofort erkannt. Und tatsächlich handelt es sich nicht um eine Kneipe, sondern um einen Verein. Tagsüber Plattenladen und Cafébetrieb, abends verschiedene kulturelle Events. „Die Idee dahinter war, Künstlern jeglicher Natur eine Plattform zu bieten“, versucht Kernmitglied Max Schmidt das vielfältige Programm zusammenzufassen. Künstler können ihre Werke ausstellen, es gibt regelmäßig Konzerte und Jamsessions und den Dystopic express, der sich den schreibenden Künstlern widmet.
Die Grundidee hinter der Veranstaltung lieferten sogenannte Kollaborationsspiele. Der Name sagt wenigen etwas, gespielt hat sie wahrscheinlich jeder schon. Alles was man braucht sind ein Zettel und ein Stift, ein paar Menschen und eine Portion Phantasie. Das Prinzip funktioniert so: Der erste in der Runde schreibt etwas auf und faltet das Ende des Papiers so um, dass der Nächste es nicht lesen kann. Dann gibt er den Zettel in der Runde weiter und der Nachbar ist dran. So geht das Papier reihum, bis jeder seinen Teil zum Gesamtwerk beigetragen hat. Die Ergebnisse sind oft amüsant, teilweise regen sie zum Nachdenken an, der Gedanke dahinter ist jedoch das Gemeinschaftsprojekt. „Man merkt, wie man einfach freier mit den Texten umgeht.“, beschreibt Martin Kowalski, Schriftsteller und Mitinitiator des Dytopic express, seine Erfahrungen: „Man nimmt sich die Selbstkorrektur, indem man einfach mit einem Gedanken anfängt und nicht ewig Zeit hat, darauf rumzudenken. Letztendlich kann man ja nichts falsch machen.“
Im Laufe der Monate wurde das Konzept mehr ausgebaut und in Verbindung mit anderen Künsten ausprobiert. So besteht das Hauptprojekt des Abends daraus, einer Band zu lauschen und dabei seiner kreativen Schreibfeder freien Lauf zu lassen. Das Thema wurde vorher ausgelost und am Ende des Abends kann, wer möchte, seinen Text vorlesen. Für Kowalski findet so eine Überwindung der traditionellen Leser-Publikum-Situation statt. So können auch kreative Köpfe, die sich auf einer offiziellen Lesung vielleicht nicht trauen würden, ihre Ideen vorstellen und sich ihr Feedback abholen. Wer weiß, welcher geniale Schriftsteller so noch aus seiner stillen Ecke herausgeholt werden kann.(lj)

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